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Eine Facette unseres Glaubens

Für meine Masterarbeit hatte ich Einiges an Zeit mit der Recherche zu einer prominenten Stelle aus dem alttestamentlichen Daniel-Buch zu tun. Im Optimalfall beschäftigt man sich natürlich nicht nur isoliert mit einem Thema, sondern führt sich auch den Gesamtkontext des Buches vor Augen. Deshalb habe ich Zuge meiner Vorbereitungen für die Arbeit das gesamte Buch mehrfach zwischendurch am Stück gelesen und war immer wieder fasziniert von dem, was uns dort in quasibiographischen Episoden über den Glauben Einzelner berichtet wird.

Den ersten Teil des Daniel-Buches könnte man als eine Art Biographie verstehen. Der Rest des Buches beinhaltet zu einem großen Teil apokalyptische Prophetie, das soll uns heute aber nicht weiter beschäftigen. Zumal der erste Teil des Buches nicht nur Elemente aus der Biographie Daniel beschreibt, sondern Wesentlich mehr. Zwar geht es hier mehrheitlich um Daniel selbst, aber auch die Personen, die sich in seinem unmittelbaren Umfeld befinden, sind zutiefst interessant. So findet sich hier unter anderem die Beschreibung einer Art Viererschaft, oder einer Hauskreiszelle, die er mit Hananja, Mischael und Asarja hat.

Diese vier werden uns in Kapitel 1 in einer zutiefst dramatischen Situation vorgestellt: Nebukadnezar, babylonischer Herrscher, erobert 587 v. Chr. Jerusalem, zerstört den Tempel, reißt sie aus ihren Familien und deportiert sie ins babylonische Kernland, mit dem Ziel, sie dort zu ganz im Sinne babylonischer Leitkultur zu ‚integrieren‘, wobei ‚assimilieren‘ das treffendere Wort wäre. Man gibt ihnen neue Namen zu Ehren babylonischer Gottheiten. Und sie sollen dort instrumentalisiert werden für die Zwecke der Herrschenden. Das ist keine Situation, die man sich selbst, geschweige denn jungen Erwachsenen, wünschen würde. Licht am Ende des Tunnels ist dort erstmal keines zu finden. Und doch erweisen sich Daniel und seine Freunde als außerordentlich weise, vorausschauend und treu (vgl. Dan 1,8ff.). In einer Situation, in der sich ihr Leben in eine Richtung entwickelt hatte, die sie sich sicherlich keinesfalls erhofft hätten und innerhalb derer man sich berechtigterweise fragen darf: wo ist Gott denn hier bitte schön noch am Werk (vgl. Dan 1,1ff.)?

In Kapitel 2 offenbart Gott dann auf sehr eindrucksvolle Art und Weise, dass er selbst in den scheinbar aussichtslosesten Situationen noch immer die Fäden dieser Welt und seiner Geschichte in seinen Händen hat. Kapitel 3 wird dann regelrecht dramatisch. So sehr, dass man einen exzellenten Hollywoodblockbuster daraus machen könnte: Nebukadnezar lässt ein opulentes goldenes Standbild errichten, entweder zu seinen Ehren oder der einer ihm nahestehenden Gottheit die ihm nahesteht. Darüber hinaus verabschiedet er dieses unumgängliche Dekret: Jeder der sich nicht anbetend davor niederwirft, wird verbrannt werden. In einem eigens dafür konstruierten Ofen mit gigantischen Dimensionen (vgl. Dan 3,1-7). Es handelt sich hierbei um eine sehr opulente universelle Machtdemonstration, die allein dem Zweck dient, zu zeigen, dass mit Nebukadnezar weder zu spaßen noch die politische und religiöse Überlegenheit seiner Überzeugungen anzuzweifeln ist.  

Hananja, Mischael und Asarja aber tun genau dies: sie verweigern sich dem Edikt. Sie beugen aufgrund ihres Glaubens und ihrer Kernüberzeugungen nicht die Knie. Sie tun dies im vollen Bewusstsein dessen, dass dies mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ihren Tod bedeuten wird und formulieren damit ein ganz außergewöhnliches Glaubensbekenntnis:

Der Gott, dem wir dienen, ist kein Mythos. Er ist kein Abstraktum. Er ist nicht eine romantische Idee. Er ist nicht wie die Statue, die Du Dir hier in der Wüste hast bauen lassen. Er ist real. Er hat alles geschaffen. Er steht über Zeit, Raum und Geschichte. Er macht sich selbst unter den Völkern dieser Erde bekannt. Er kann uns vor dem Ofen retten. Er kann uns aus Deiner Hand retten. Das ist eine Wahrheit über unseren Gott. Er kann (vgl. Dan 3, 16f.).

Das sind nicht die Worte von jungen Männern mit bestenfalls oberflächlich-romantisiertem Glauben. Ihr Glaube hat sich durch die außerordentlich schwierige Realität geformt, mit der sie zwangsweise und ohne Aussicht auf unmittelbare Besserung konfrontiert worden waren. Als Babylon zur dominierenden Weltmacht im antiken Nahen Osten wurde, Israel bedrohte, hatten sie vor langer Zeit gebetet, dass Nebukadnezar ihr Volk nicht besiegen würde, dass Jahwe ihm irgendwie Einhalt gebieten würde – aber er tat es nicht. Als Babylon sich die besten und intelligentesten Kinder nahm, hatten sie mit ihren Familien gebetet, nicht darunter sein zu müssen – aber sie waren es. In Babylon hatten möglicherweise gebetet, dass dank Daniels positivem Einfluss die Juden von Nebukadnezars Dekret ausgenommen würden – aber sie wurden es nicht.

Viele ihrer Gebete, so scheint es, wurden nicht beantwortet. An jedem dieser Punkte hatten sie das Recht, bitter enttäuscht zu sein. An jedem dieser Punkte wurde ein Alptraum ein Stückchen mehr zur Realität. Und jetzt müssen sie ihr bisheriges und absolutes Worst-Case-Szenario erleben. Jede Tür zur Flucht hat sich in diesem Moment fest verschlossen. Kein denkbar möglicher Ausweg, der sich jetzt realistischerweise vor ihnen auftun könnte. Und wie reagieren sie in dieser aussichtslosen Situation? Ein letztes Mal bezeugen sie ihren Glauben an den, dem sie dienen: Wenn wir in den Ofen geworfen werden, König, so sollst Du wissen, dass der Gott, dem wir dienen, uns retten kann!

In einem Hollywoodblockbuster wäre dies jetzt wahrscheinlich der Moment dramatischer Musik gepaart mit Nahaufnahmen der beteiligten Protagonisten als Vorbereitung auf den dramatischen Höhepunkt. Natürlich ist Euch die Daniel-Episode mit dem Feuerofen und dem wunderhaften Eingreifen Jahwes bekannt, und Hananja, Mischael und Asarja, begleitet von einer vierten mysteriösen Gestalt überstehen das Ganze vollkommen unversehrt. Was für eine eindrucksvolle Machtdemonstration Jahwes gegenüber der Arroganz des babylonischen Herrschers!

Für mich ist inzwischen allerdings nicht mehr das erneute rettende Eingreifen Gottes das wertvollste an dieser Episode, sondern der dort skizzierte Glaube, den die drei an den Tag legen: sie sind absolut von der Handlungsmacht Gottes überzeugt und bekunden das auch dann, wenn sie sich mit einer simplen kleinen Notlüge womöglich aus der Affäre hätten ziehen können. Sie gehen diesen Weg aber nicht, sondern formulieren in Dan 3,18 eine der großartigsten Glaubensaussagen der Bibel, die ich kenne und die ich für meinen ganz persönlichen Glauben unbedingt verinnerlichen und lernen möchte: Aber auch wenn er es nicht tut, so sollst du, König, dennoch wissen, dass wir deinen Göttern nicht dienen und dein goldenes Bild nicht anbeten werden.

Dahin möchte ich mit meinem Glauben auch kommen. Mich immer weniger dabei zu ertappen zu beten: Gott, wenn du mir dies schenkst, dann werde ich den Rest meines Lebens das tun. Bin ich bereit, einen ‚Auch-wenn-er-es-nicht-tut‘ Glauben zu haben. Gehorsam und treu zu sein, wenn Gott meine Gebete nicht erfüllt? Gott zu lieben und ihn zu bekennen, auch wenn mein Leben sich nicht so entwickelt, wie ich es mir gerne wünschen würde.

Diesen Glauben erlernen zu können wünsche ich mir. Und möglicherweise gelingt so etwas wie bei den dreien – am Besten – gemeinsam.