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Christen haben keinen Spaß, Christen haben Freude!

Christen haben keinen Spaß, Christen haben Freude!

Das ist so ein Satz, den ich im Brustton der Überzeugung im Verlauf der letzten 25 Jahre aus mehrfacher Zeugen Mund exakt so vernommen habe. Jetzt bin ich niemand, der ein grundsätzliches Problem mit plakativen Aussagen hat, ich nehme dann aber durchaus gerne das Recht in Anspruch, sie auf ihre Glaubwürdigkeit zu hinterfragen. Und in diesem konkreten Fall ist es für mich tatsächlich nur schwer nachvollziehbar, wie man ernsthaft dieser Überzeugung sein kann.

Vielleicht ist das mein persönliches Problem, vielleicht ist es aber auch einfach eine Definitions- oder Verständnisfrage. Bei einer simplen „Google-Suche: Spaß, Definition“ lautet der erste Wörterbucheintrag noch vor dem Wikipedia-Artikel folgendermaßen:

  1. ausgelassen-scherzhafte, lustige Äußerung, Handlung o. Ä., die auf Heiterkeit abzielt
  2. [ohne Plural] Vergnügen, Freude, die man bei einem bestimmten Tun empfindet  

Der einzige Begründungskontext für die universelle und absolute Aussage, dass „Christen keinen Spaß haben“ sollten, wäre der, dass man damit unterschwellig implizieren wollte, ‚Spaß‘ müsse mit irgendetwas dem expliziten Willen Gottes Widersprechendem assoziiert sein. Zugegebenermaßen kann mit „Spaß haben“ derartiges gemeint sein, ohne hier jetzt zu sehr ins Detail zu gehen. Vorausgesetzt ist es aber keineswegs, zumindest nicht nach obiger Definition. Zumal hier „Spaß“ und „Freude“ sogar synonym verwendet werden.

Natürlich ist Spaß eine sehr individuelle Sache, aber nur weil wir Menschen mit unterschiedlichen Persönlichkeiten und Charakteristika in entsprechend unterschiedlicher Art und Weise mal mehr, mal weniger gut an gewisse Dinge ‚andocken‘ können, bedeutet das nicht notwendigerweise, dass man alles, das nicht im Bereich der eigenen Präferenzen und Vorlieben liegt, kategorisch ausschließen sollte.

Und die Vorstellung, dass Gott als Schöpfer des gesamten Universums und Urheber unserer kreatürlichen Dimension mit all den unterschiedlichen Charakteristika, Begabungen, Fähigkeiten und Emotionen, die uns Menschen zu eigen sind, weder Sinn für Humor noch Spaß haben sollte, erscheint kaum nachvollziehbar. Allein Gottes amüsiertes Handling von Jona am Ende des Buches, als dieser die so imposant als möglich herbeigewünschte Zerstörungshow Ninives genießen möchte und dann mit der Trotzreaktion eines störrischen Kleinkindes, das seinen Willen nicht bekommt, auf Gottes Verschonung Ninives reagiert ist humoristisches Gold.

Wenn also jemand etwas von der „Freude des Evangeliums“ erzählten möchte und das mit der Ernsthaftigkeit einer Trauerveranstaltung tut, dann hakt da meines Erachtens nach Wesentliches. Vielleicht ist das ja einer der Beweggründe gewesen, sich als Gemeinde diese Losung gegeben zu haben. Für diejenigen von Euch, denen das eventuell komplett unbekannt ist, sie findet sich im Brief des Paulus an die Gemeinde in Philippi und lautet nach der NGÜ:

4 Freut euch, was auch immer geschieht; freut euch darüber, dass ihr mit dem Herrn verbunden seid! Und noch einmal sage ich: Freut euch! 5 Seid freundlich im Umgang mit allen Menschen; ihr wisst ja, dass das Kommen des Herrn nahe bevorsteht. 6 Macht euch um nichts Sorgen! Wendet euch vielmehr in jeder Lage mit Bitten und Flehen und voll Dankbarkeit an Gott und bringt eure Anliegen vor ihn. 7 Dann wird der Frieden Gottes, der weit über alles Verstehen hinausreicht, über euren Gedanken wachen und euch in eurem Innersten bewahren – euch, die ihr mit Jesus Christus verbunden seid.

Philipper 4,4-7

Es gibt zweifelsohne unzählige Dinge, über die man sich freuen kann. Es gibt aber auch spezifisch christliche Elemente und ein solches thematisiert Paulus in diesem Abschnitt bzw. genauer gesagt im gesamten Brief. Es geht hier um eine konkret auf Jesus ausgerichtete Freude. Im griechischen ist die Beobachtung interessant, dass die Wortwurzel für Freude in Vers 5 dieselbe ist wie die für Gnade (gr. χαρ-, char-): Sich ‚in Christus‘, ‚in Jesus‘ zu freuen, hat einen besonderen Charakter. In der Philosophie der Stoa war die Affektlosigkeit bzw. apathische Haltung gegenüber der Situation oder den Umständen des Gegenübers eine der großen Tugenden. Für uns Christen ist Freude etwas, das Gottes Geistes in uns wirkt und die auch angesichts Leid und Trauer nicht verlöschen muss. Freude ist mehr als eine Emotion, sondern eine Grundeinstellung. Und solche Grundeinstellungen haben genau wie unsere Kernüberzeugungen Konsequenzen. Unsere Beziehung zu Christus bestimmt unser Verständnis der Realität um uns herum.[1]

Und damit einher gehen die Art und Weise, wie wir anderen gegenüber auftreten: arrogant und rechthaberisch zurückschlagend oder wie Jesus nicht auf seinen Privilegien zu bestehen und auch auf Angriffe nicht harsch und überproportional, sondern angemessen, wahrhaftig und ehrenhaft zu reagieren. Und dieser Art und Weise fordert Paulus die Gemeinde in Philippi, die ihm besonders am Herzen liegt besonders heraus. Freut Euch, seid dankbar und lebt entsprechend Eurer neuen Existenz in Jesus – mit all den Konsequenzen, die das mit sich bringt.

Und wenn wir hier in Salem gerade miteinander unterwegs sind und nach einer Vision Ausschau halten – mit unserer Losung haben wir nicht das schlechteste Marschgepäck dabei.

Euer Christian Stöckl

[1] Siehe hier: Häußer, Detlef (2016): Der Brief des Paulus an die Philipper (HTA), 287-290. Gießen: SCM R. Brockhaus.